Sprachgrenzen in Wuppertal und Umgebung
Ein Projekt des Gymnasiums Sedanstraße in Wuppertal-Barmen
Leitung und Weiterführung: StD. i. R. Wolfgang Vogelsang
Das Projekt „Bergische Sprachgrenzen“, an dem mehrere Gruppen, zuletzt im Schuljahr 1999 / 2000 die
Schüler Sven Kilian, Sebastian Kleimenhagen, Marc Kresin, Julia Schürmann, Isabel Seebeck und Mona
Winkler (alle Deutsch LK 1, Jgst. 13) sowie als Leiter Herr Wolfang Vogelsang gearbeitet haben, befasste
sich mit sogenannten „Sprachlinien“ – vornehmlich auf Wuppertaler Gebiet –, die unterschiedliche
Mundarten voneinander trennen.
Begründer dieser Dialektgeographie ist Dr. Georg Wenker, der 1877 „Das Rheinische Blatt“ veröffentlichte.
In dieser Schrift ließ er 40 Sätze von etwa 1500 rheinischen Lehrern .übersetzen. Dadurch, dass er seine
Untersuchungen später gemeinsam mit Prof. Dr. Ferdinand Wrede auf ganz Nord-und Mitteldeutschland
ausdehnte, schuf er eine Grundlage für das Monumentalwerk „Der Deutsche Sprachatlas“.
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Einführung in die Geschichte der deutschen Sprache
Das deutsche Sprachgebiet bildet sich nach den Völkerwanderungen, also ab dem späten
5. Jahrhundert, heraus, wobei es z. T. bis ins 10. Jahrhundert dauert, bis die Grenzen – weitgehend –
festliegen (z. B. gegenüber dem Französischen).
Exkurs:
Daten zur Geschichte ,
Der entscheidende Schritt in der Entwicklung der deutschen Sprache, die sie von den anderen germanischen
Sprachen unterscheidet, ist die sogenannte Althochdeutsche Lautverschiebung (auch Hochdeutsche oder
II. Lautverschiebung genannt, in Abgrenzung zu einer weitaus früheren I. oder Germanischen Lautverschiebung,
ca. 200 v. Chr.).
Die ahd. Lautverschiebung betrifft vor allem die Laute p, t und k.
Beispiele:
Gotisch----|----Altsächsisch----|----Althochdeutsch
pund-----------------pfunt
hilpan---------------helpfan-----------------(helfen)
holt--------------------holz
settian--------------setzan------------------(setzen)
slapan--------------slafan-----------------(schlafen)
etan------------------ezzan-------------------(essen)
ik------------------------ih------------------------(ich)
Eine genaue Datierung dieser ungemein folgenreichen Veränderungen ist nicht möglich, noch viel weniger
lassen sich die Ursachen feststellen. Allgemein nimmt die Forschung aber an, dass sich dieser Vorgang von
vor 700 über einen langen Zeitraum (bis nach 1200?) erstreckt, von Süden ausgehend, wobei man auch
die Hypothese aufgestellt hat, dass die Entwicklung vom ripuarisch(kölnisch)-fränkischen Gebiet
ausgegangen sein könnte, sich aber im Süden (im Oberdeutschen) stärker entfaltet hat.
Das deutsche Sprachgebiet bis etwa 1930
I. Das Oberdeutsche (stärkster Anteil an der Lautverschiebung)
1) Das oberdeutsche Fränkisch – Südfränkisch und Ostfränkisch
2) Alemannisch – Schwäbisch, Niederalemannisch, Hochalemannisch
3) Bayerisch
4) Österreichisch
5) Prager Deutsch (Böhmen und Mähren)
Überblick
II. Das Mitteldeutsche (geringerer Anteil an der Lautverschiebung)
1) Das mitteldeutsche Fränkisch – Mittelfränkisch (Ripuarisch, Moselfränkisch), Rheinfränkisch
2) Thüringisch
3) Obersächsisch
4) Schlesisch
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Beide Gruppen bilden das sog. Hochdeutsche
(nicht zu verwechseln mit dem Neuhochdeutschen, s. Exkurs).
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Exkurs:
Das Neuhochdeutsche
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III. Das Niederdeutsche (nur sporadischer Anteil an der Lautverschiebung)
1) Das Friesische (gilt nur bedingt als deutsche Sprache)
2) Plattdeutsch – Holstein, Pommern, Danzig und Umgebung
3) Niederfränkisch
4) Niedersächsisch
5) Ostniederdeutsch – Pommern, Ost- und Westpreußen
6) Afrikaans – Südafrika, Namibia
Quelle: Adolf Bach (s. u.)
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Sprachgrenzen im Rheinland und in Westfalen
© Wolfgang Vogelsang
Die Benrather Linie
Unsere Heimatprovinz und besonders das Bergische Land weisen sehr viele solcher Sprachlinien auf, unter anderem
die wichtigste: Die Benrather oder auch maken / machen-Linie, die das Niederdeutsche und das Hochdeutsche vonein-
ander trennt. Genauer betrachtet trennt sie im Rheinland das Niederfränkische und das Mittelfränkische. Von Holland
kommend überschreitet die maken / machen-Linie bei Benrath (heute Stadtteil von Düsseldorf) den Rhein und zieht sich
an der unteren Wupper zwischen Leichlingen und Burg (heute Stadtteil von Solingen) und weiter an der Grundlinie des
großen Wuppervierecks entlang bis zum Südhang des Rothaargebirges hin.
Die Gegensätze k / ch (maken / machen), p/f (kopen / kofen von kaufen) und t/s, bzw. t/z (schmieten / schmießen von
schmeißen) treffen an dieser Linie aufeinander.
Nördlich dieser Linie (sozusagen auf der k, p und t-Linie) liegen u. a. Gerresheim (heute Stadtteil von Düsseldorf), Merscheid
(heute Stadtteil von Solingen), Höhscheid (heute Stadtteil von Solingen), Dorp (gehört ebenfalls zu Solingen, zwischen
Solingen-Mitte und Burg gelegen),Remscheid, Hückeswagen und Wipperfürth.
Beispiel: „Kooken Water em Keetel on eeten den Brei mem Leepel.“ (Lennep)
Südlich (sozusagen auf der ch, f und s/z-Seite) findet man u. a.Benrath (heute Stadtteil von Düsseldorf), Leichlingen, Burscheid, Burg (heute Stadtteil von Solingen) und Freudenberg.
Beispiel: „Kochen Wasser em Kessel on essen Brei mem Leffel.“ (Wermelskirchen-Dhünn)
Die Uerdinger Linie
Eine weitere wichtige Sprachlinie ist die Uerdinger Linie, auch ik / ich-Linie genannt, die zwischen
Wermelskirchen und Hückeswagen von der Benrather Linie abzweigt und nach Nordwesten verläuft.
Diese Linie entstand gegen Ende des Mittelalters, als das Hochdeutsche, bzw. das Mittelfränkische
in den Gebieten zwischen Rhein und westfälischer Grenze zunehmend an Einfluss gewann.
Heute liegen auf der k-Seite RS-Lennep, RS-Lüttringhausen, Barmen, Elberfeld, Langenberg, Werden (heute Stadtteil
von Essen),Kettwig (heute Stadtteil von Essen), Mühlheim a. d. Ruhr und Duisburg.
Beispiel: „Ik si moi.“ (Hückeswagen)
Auf der ch-Seite findet man Remscheid, W-Cronenberg, W-Ronsdorf, W-Sonnborn, Wülfrath, Neviges
(heute Stadtteil von Velbert), Velbert, Angermund (heute Stadtteil von Düsseldorf) und Uerdingen (heute Stadtteil
von Krefeld).
Beispiel: „Ich bün möed.“ (Wermelskirchen)
Die Westfälische Linie
Eine dritte Sprachlinie, die Westfälische oder et/en-Linie, zweigt am Rothaargebirge von der Benrather
Linie ab und fält mit der alten Grenze von Sachsen und Franken, Berg und Mark zusammen.
Der Gegensatz, der an dieser Linie aufeinandertrifft, liegt in der Endung. Östlich von ihr (auf sächsichem Boden)
sagt man z. B. „vie sittet“ (wir sitzen) und westlich (auf fränkisch-rheinischem Boden) „vie setten“.
Östlich dieser Linie liegen Meinerzhagen, Halver, Radevormwald, Schwelm und Essen.
Beispiel: vie sittet, gät sittet, sie sittet (wir sitzen, ihr sitzt, sie sitzen)
Westlich von ihr sind u. a. die Orte Olpe, Wipperfürth, Hückeswagen, Lennep (heute Stadtteil von
Remscheid), Barmen, Elberfeld, Langenberg und Wesel zu nennen.
Beispiel: vie setten, gät setten, sie setten (wir sitzen, ihr sitzt, sie sitzen)
Diese Grenze verläuft in Wuppertal östlich von Beyenburg sowie zwischen Barmen und
Langerfeld / Nächstebreck, die erst 1922 zu Barmen gekommen sind.
Diese Sprachgrenzen breiten sich vom Rothaargebirge fächerartig nach Nordwest bis Südwest um
den Brennpunkt Köln aus. Der Drehpunkt liegt bei Siegen.
Sprachgrenzen in Wuppertal
© Wolfgang Vogelsang
Die Wuppertaler Mundarten
Die Barmer und Elberfelder Mundarten gehören einerseits zu den niederfränkischen Mundarten, da sie
westlich der sächsisch-fränkischen et / en-Linie liegen und andererseits zu den niederdeutschen
Mundarten,da sie auch nördlich der maken / machen-Linie liegen. Und so kommt es, dass am Ostrand
von Barmen sehr häufig sächsich-westfälische Einflüsse festzustellen sind und dass am Westrand von
Elberfeld (Varresbeck – Sonnborn) rheinische Sprachelemente auftreten.
Die Tatsache, dass das Englische (= Angelsächsische) weitgehend ein deutscher Dialekt ist, wird besonders
deutlich, wenn man es mit dem Wuppertaler Platt vergleicht. Es zeigt sich, dass diese beiden Mundarten in
Lautbildung, Grammatik, Wortschatz und Wortbild weitgehend übereinstimmen.
Beispiele:
Näit(Nacht) / night;
Knäit(Knecht) / knight;
Dauter(Tochter) / daughter u. v. m.
An diesen Beispielen erkennt man auch, dass das Verschwinden von „ch“ vor „t“ eintritt.
Weitere Besonderheiten sind:
Die Vokalisierung des „r“ vor Konsonanten, z. B.
Koan(Korn) / corn;
Boad(Brett) / board,
die Übereinstimmung vieler Verben, z. B.
seien(sagen) / say;
leien(legen ) / lay;
kallen(sprechen) / call;
schmoken(rauchen) / smoke
und die verbalen Ablautreihen z.B.
vergeten, vergot / forget, forgot;
tellen, getollt / tell, told.
Aus der Grammatik wären noch zu erwähnen:
– die Artikel „de“ und „en“ für die Geschlechter (engl. the, an)
– der Wechsel von „f“ und „v“ bei der Pluralbildung: Wief, Wiever / wife, wives; Kalf, Kälwer / calf, calves
– die bekannte Wuppertaler Verlaufsform: hä es am drömen / he is dreaming
Weitere Parallelen zeigen sich im Wortschatz: bowen(oben) / above; Göte(Gasse) / gutter – usw.
Trotz der Übereinstimmungen der beiden wichtigsten Wuppertaler Mundarten gibt es
auch einige Abweichungen, die Lautbildung,Wortform oder Wortschatz betreffen.
Elberfeld – Barmen
aul – olt (alt)
baul – bolt (bald)
Sault – Solt (Salz)
Rau – Rou (Ruhe)
Da Elberfeld und Barmen im Süden durch die Uerdinger Linie von Cronenberg – Remscheid – Ronsdorf
getrennt werden, gibt es auch hier Unterschiede:
Barmen – Elberfeld
Ek häff – ech hann(ich habe);
ek go – ech gonn(ich gehe).
Aufgrund des ständigen Zuzugs von auswärts wurden die Wuppertaler Mundarten in den letzten Jahren
ständig verändert. Aus diesem Grunde sind die oben genannten Beispiele aus dem älteren, „reinen“
Wuppertaler Platt.
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Literatur:
Adolf Bach, Geschichte der deutsche Sprache, 9. Auflage, Wiesbaden o. J., S. 97ff.
und Hans Eggers, Deutsche Sprachgeschichte, Bd. 1, Hamburg 1986, S. 64ff.
Weitere Einzelheiten bei: Theodor Frings, Sprache. In: Aubin, Frings, Müller, Kulturströmungen
und Kulturprovinzen in den Rheinlanden. Darmstadt 1966, S. 176ff.
Julius Leithaeuser, Volks- und Heimatkunde des Wupperlandes (1927), Neudruck 1982 im Verlag Weidlich, Frankfurt/Main
vgl. auch:
J. Leithaeuser, Wörterbuch der Barmer Mundart...(1229), unveränderter Neudruck 1990, Sändig Reprint Verlag, Vaduz
Bruno Buchrucker, Wörterbuch der Elberfelder Mundart...(1910), unveränderter Neudruck 1967, Sändig Reprint Verlag,
Vaduz
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